DER MENSCHLICHE GEIST - EIN PRODUKT DER MATERIE ?
THEMENÜBERSICHT ZU DIESEM KAPITEL
DAS GEHIRN: Ich versuche nachfolgend eine kriminell vereinfachende Grundrißzeichnung trivialer Hirnbereiche und –Funktionen darzulegen.
Das Gehirn ist das komplexeste Organ im Körper. Seine ursprünglichste
Aufgabe besteht darin, für das Überleben des Organismus zu sorgen! Verantwortlich für einen jeglichen der vielfältigen funktionalen Abläufe und Vorgänge im Gehirn sind die NEURONE. DAS NEURON Unter den Neuronen versteht man die etwa 100 Milliarden Hirn-Nervenzellen. Ein einzelnes Neuron kann mit 1000 bis 100.000 anderen Neuronen verbunden sein. Insgesamt ergibt sich eine theoretisch denkbare Zahl von 40 Billionen verschiedenen Verschaltungsmustern!
Ein Neuron kann Impulse anderer Neurone empfangen. Hierfür hat es spezielle Fortsätze, die sog. "Dendriten". Es kann natürlich auch eigene Impulse erzeugen und sie über einen weiteren Fortsatz, den sog. "Axon" weiterleiten. Sowohl am Zellkörper als auch an den Dendriten knüpfen die Axone anderer Neurone an. Allerdings sind Neurone nicht unmittelbar physikalisch miteinander verbunden! Zwischen ihnen befinden sich sog. SYNAPSEN, die auch als "Synaptische Spalte" oder "Synaptische Endköpfchen" bezeichnet werden. Hierunter sind physische Verbindungslücken zu verstehen. Nur innerhalb eines Neurons wird der Impuls in rein elektrischer Form weitergeleitet. An den Synapsen werden die elektrischen Signale des Absender-Neurons in chemische Signale umgewandelt. Sog. NEUROTRANSMITTER - also Gehirnbotenstoffe- übernehmen diesen Teil der Reizübertragung. Im Empfänger-Neuron wiederum wird der chemische Impuls erneut in ein elektrisches Signal umgewandelt und weitergeleitet.
Ein Neuron das gerade nicht aktiv ist befindet sich im "Ruhezustand". Wird ein genügend starker, die "Hemmschwelle" des Neurons überschreitender Input von anderen Neuronen empfangen, so wird ein "Aktionspotential" ausgelöst, d.h. das Neuron meldet sich nun seinerseits mit einem eigenen Signal zu Wort. Die "Hemmschwelle" des Empfängerneurons bezeichnet also die erforderliche Stärke die ein externer Input haben muss, um es zu aktivieren. Das Aktionspotential wiederum bezeichnet die Stärke der elektrischen Entladung, mit der das Neuron auf diesen Input reagieren kann, indem es seinerseits "feuert". Wie gut oder stark die Signalübertragung zwischen Neuronen ist hängt aber nicht allein von der Stärke der elektrischen Signale ab, sondern insbesondere von der Verbindungsstärke der Synapsen! Die Signalübertragung an einer Synapse kann gut oder weniger gut sein. Je häufiger miteinander verschaltete Neurone Signale austauschen, umso besser funktioniert die synaptische Übertragung! Sämtliche Lernprozesse beruhen auf dieser Tatsache! Neurone können sich nicht nur gegenseitig erregen, sie können sich auch hemmen und am Auslösen eines Aktionspotentials hindern. Diesbezüglich existieren im Hirn die verschiedensten Verschaltungs-Architekturen! Neurone sind also Schaltelemente, die viele Eingangssignale in ein Ausgangssignal umwandeln.
MAKROSKOPISCHE HIRNSTRUKTUREN Im Zentrum eines jeden Hirns (ob Mensch oder Tier) findet sich der Hirnstamm! Viele Tiere haben gar nicht wesentlich mehr als einen Hirnstamm vorzuweisen! Der Hirnstamm reguliert verschiedene Körper-Grundfunktionen wie Blutdruck, Atmung und Verdauungstätigkeit! Es lässt Hunger-und Sättigungsgefühl entstehen- und zwar infolge relativ „primitiver“ Rückkoppelungssysteme mit verschiedenen Körpersystemen. Das Zwischenhirn- bestehend aus Thalamus, Hypothalamus, Hirnanhangdrüse und limbischem System- ist für anderweitige Funktionen zuständig. Der Thalamus gilt als eine „Relaisstation“, als ein „Tor zum Bewusstsein“. Alle Umweltreize laufen hier durch und werden gefiltert. Der Hypothalamus ist die Kommandostelle für Hormone, Schlafbedürfnis und Körpertemperatur. Er misst, filtert, reguliert. Während sich der Thalamus also um Sinneseindrücke von außen kümmert, ist der Hypothalamus um die internen Geschehnisse im Körper bemüht. Er versucht alles auszugleichen: Er lässt uns Durst verspüren und unsere Muskeln vor Kälte zittern- damit sie Wärme erzeugen! Das limbische System ist für Emotionen zuständig! Es geht hierbei nicht allein um Gefühle wie Liebe und Hass, sondern um eine triviale emotionale Bewertung aller eingehenden Informationen: Ist eine Situation/ein Ereignis gefährlich oder ungefährlich? Muss Alarm ausgelöst werden? Auf Basis dieser Bewertung vegetieren 99,9% aller Tiere dahin! Sie leben im Hier und Jetzt, ihr Dasein beruht im Wesentlichen auf Fressen, Schlafen, Fortpflanzung und Kämpfen! Die ganzen bisher genannten Systeme haben nicht nur wir Menschen, sondern auch die ganzen Tiere! Nicht nur anatomisch, sondern auch funktionell stimmen wir mit ihnen überein! Selbst die meisten Neurotransmitter (=Hirnbotenstoffe) die Menschen und Tiere aufweisen, sind identisch!
CORTEX Was nun folgt haben nur Primaten und Menschen – einen Cortex, eine Großhirnrinde!
Alles was Affen und Menschen können, alle anderen Tiere
hingegen nicht, hat mit dem Cortex zu tun! Ich greife bewusst auf die einschränkende Formulierung "hat damit zu tun" zurück, um an dieser Stelle eine zu starke Voreingenommenheit für das materialistische Weltbild und gegen das Konzept einer übernatürlichen Seele zu vermeiden.
Peter F. Weber resümiert in "Der domestizierte Affe": "Die tieferen Strukturen repräsentieren die Natur, der Cortex hebt den Menschen als Kulturwesen hervor!" Woher weiß man eigentlich, welche Gebiete der Großhirnrinde mit welchen Funktionen zusammenhängen?! Diese Erkenntnisse resultieren aus mehreren Quellen: Zum Einen verfügt man mittlerweile über sehr sensible Technologien, die es erlauben, die Stoffwechselvorgänge im lebenden Hirn (primär: Durchblutung und die damit verbundene Sauerstoffversorgung der Hirnzellen in verschiedenen Regionen) zu beobachten! Man steckt hierfür Probanden in einen sog. „Magnetresonanztomographen“ und konfrontiert sie mit verschiedenartigen kognitiven Aufgaben oder setzt sie emotionalen Reizen aus (etwa durch das Vorzeigen von schönen, ekligen, grausamen oder anderweitig erregenden Bildern). Regionen der Großhirnrinde die während der Stimulation oder der Aufgabenlösung besonders stark durchblutet werden, sind hierin funktional verstärkt involviert! Man beachte die Formulierung „involviert“! Es ist zwar richtig, dass es im Hirn verschiedene schwerpunktmäßige „Zuständigkeitszentren“ für verschiedene Aufgaben gibt (etwa das sog. „Wernicke-Areal“ und das „Broca-Areal“ für das Sprachverständnis bzw. die Sprachgenerierung). Das bedeutet aber nicht, dass man diese Regionen als funktional autonom betrachten darf! Sie hängen eben stärker mit einer bestimmten Funktion zusammen als andere Regionen! Insgesamt ist das Hirn aber nur als gesamte Einheit funktionsfähig! Ein Gehirn ist ein sog. „rückkoppelndes System“ indem unglaublich viele Dinge parallel passieren und sich dabei aber auch gegenseitig beeinflussen! Die zweite Erkenntnisquelle über die Funktionen bestimmter Hirnregionen sind Tierversuche. In der Anfangszeit der experimentellen neurologischen Forschung wurden diese verstärkt praktiziert. Ich möchte das hier nicht weiter (ethisch- moralisch) bewerten, sondern nur sachlich darstellen! Man hat bspw. Affen Elektroden ins Hirn gepflanzt, bestimmte Hirnteile entfernt oder zumindest lokale Schaltkreise physikalisch durchbrochen um bspw. zu sehen, wie sich der betreffende lokale Eingriff auf die Bewältigung einer vorher trainierten Aufgabe auswirkt! Man darf davon ausgehen, dass unnötiges Elend bei den Experimenten weitestgehend vermieden wurde! Die operativen Eingriffe zwecks Implantation von Elektroden oder Herbeiführung von Läsionen wurden unter Narkose durchgeführt. Die Verletzungen im Hirngewebe selber sind nicht schmerzhaft. Ansonsten würden auch menschliche Schlaganfall-Patienten vor Schmerzen brüllen, anstatt "nur" unter ihren diversen Ausfallerscheinungen zu leiden. Gehirnoperationen bei Menschen müssen oftmals sogar bei vollem Bewußtsein ausgeführt werden, weil in vielen Fällen die aktive Mitarbeit des Patienten erforderlich ist. Es kann sein dass der Patient während des Eingriffes Angaben über irgendwelche Wahrnehmungen machen muss. Dies könnte man wohl kaum von einem Menschen erwarten, der während des Eingriffes Höllenqualen erduldet! Wie gesagt: Das neuronale Gewebe selber ist nicht schmerzempfindlich! Als dritte Informationsquelle für Zusammenhänge zwischen anatomischen Hirnbereichen und mentalen Funktionen sind menschliche Unfallopfer mit verschiedenartigen Hirnverletzungen an mehr oder weniger konkret eingrenzbaren anatomischen Bereichen zu erwähnen. Dank der modernen und immer effektiveren Unfallchirurgie überleben Menschen heutzutage mitunter auch sehr schwere Kopfverletzungen. Ob das für die betreffenden Leute in jedem Fall einen Vorteil bedeutet sei dahingestellt. Für die Wissenschaft aber sind diese menschlichen Katastrophen in gewisser Hinsicht „Glücksfälle“ – wenn man so einen Begriff hier überhaupt benutzen darf. Weitere Erkenntnisse über das Hirn und seine Funktionen werden zwischenzeitlich auch aus computersimulierten künstlichen Neuralnetzwerken gewonnen. In solchen Netzwerken wird die neuronale Informationsverarbeitung mit künstlichen Neuronen simuliert, die - wie ihre biologischen Vorbilder- über unterschiedlich gut bzw. schlecht leitende Verbindungen untereinander verknüpft sind. Auch sie haben eine "Hemmschwelle" (bezeichnet die erforderliche Stärke eines elektrischen Inputs um eine Reaktion auszulösen), und ein "Aktionspotential" (bezeichnet die Stärke an elektrischen Output, den ein einzelnes Neuron erzeugen kann). Die Verbindungsstärken zwischen den einzelnen virtuellen Neuronen sind ebenfalls plastisch, d.h. veränderlich. Die Informationsverarbeitung innerhalb solcher Netzwerke erfolgt nicht nach starren (programmierten) Regeln! Vielmehr wird ein Netzwerk anhand von systematischen Input "trainiert" und die Regeln der Verarbeitung entstehen selber innerhalb des Systems.
Hierzu gibt es am Rande bemerkt ein faszinierendes Buch vom populären deutschen Hirnforscher Manfred Spitzer:
Titel: Geist im Netz Wen künstliche Neuralnetzwerke interessieren, der sollte sich auch folgenden Tipp nicht entgehen lassen:
Titel: Menschliches Denken
Künstliche Intelligenz
DER CORTEX UND DIE "SEELE"
Wollen wir uns einmal ganz speziell den Cortex, also die Großhirnrinde ansehen:
Der Scheitellappen ist für unsere Sensibilität, für die Körperempfindungen zuständig. In einem der Schläfenlappen befindet sich das sog. „Wernicke-Areal“: Dieser Struktur kommt eine besondere Bedeutung bei der Spracherkennung zu! Hier werden Syntax und Grammatik von gehörter oder gelesener Sprache entschlüsselt! Von den Stirnlappen gehen (willentliche) Aktionen aus. Im hiesigen Broca-Areal wird Sprache gebildet! Die bisher genannten Teile – ausgenommen der Stirnlappen- bezeichnet man als primäre Areale in denen akustische, optische und Empfindungsreize wahrgenommen werden. Tiefer liegend sind die sog. „Assoziationsfelder“. Im hinteren Assoziationsfeld (an der Schnittstelle von Scheitellappen, Schläfenlappen und Hinterhauptlappen) laufen die Informationen zusammen um integriert zu werden. Im Vorderen Anteil des Stirnhirns (=präfrontaler Cortex) werden die Informationen bewertet. Diese Region stellt die höchste Instanz dar! Hier vollziehen sich Planung, Entscheidung und Steuerung. Hier ist der Sitz von Urteilskraft, Vorstellungsvermögen, Empathie und Identität. Man spricht sinnbildlich auch von einem „Dirigenten“. Im hinteren Teil des Stirnhirns wiederum erfolgt die Bewegungsplanung. Der vordere Teil empfängt Lageberichte von allen Seiten, von Innen- und Außenwelt! Gedanken und Gefühle, Sinneseindrücke, Stimmungen und Triebe werden hier zum „Schauspiel des Lebens“ zusammengefügt. Der Informationsfluß erfolgt hierbei nicht hierarchisch von unten nach oben! Er befindet sich vielmehr im ständigen Fluß in alle Richtungen! Der präfrontale Cortex entspricht der Integrationsstelle eines größeren Ganzen! Komplexe Planungsprozesse und zielgerichtetes Handeln finden hier statt! Personen mit Schädigungen in verschiedenen Teilen des Stirnhirns weisen je nach Lokalisation und Stärke der Läsion signifikante Beeinträchtigungen auf! Es gibt einen relativ simplen Test um festzustellen, ob eine Schädigung im Stirnhirn vorliegt: Hierzu werden Versuchspersonen auf einem Computer-Bildschirm Worte gezeigt, die eine Farbe bezeichnen. Die Worte sind aber in einer anderen Farbe geschrieben als jene, die sie benennen! Für einen gesunden Menschen – wenn er nach der Farbe des Wortes gefragt wird- stellt es kein Problem dar „grün“ zu sagen, auch wenn das Wort in rot geschrieben ist! Im Falle einer Stirnhirn-Schädigung gelingt das nicht mehr so einfach! Der Proband kann die semantische Bedeutung des Wortes nicht mehr unterdrücken! Eine Erklärung dafür, dass kleine Kinder sich oft unmöglich aufführen, im Supermarkt lautstark rumzetern wenn sie etwas haben wollen, aus geringen Anlässen schreien und toben oder ihr Spielzeug an die Wand werfen hängt damit zusammen, dass der Stirnhirnlappen erst spät reift! Ihre Hemmungsreaktionen funktionieren also noch nicht richtig, sie können spontane Impulse nicht unterdrücken! Für das hochaggressive Verhalten einer bestimmte Gruppe von erwachsenen Gewalttätern trifft diese Erklärung übrigens auch zu! Auf diese Zusammenhänge näher einzugehen würde an dieser Stelle etwas zu weit vom Thema wegführen. Es bietet sich jedoch an, den spektakulären medizinischen Fall des amerikanischen Eisenbahnarbeiters Phineas Gage kurz darzustellen. Ich fasse mich sehr kurz! Er galt als eine verantwortungsvolle, pflichtbewusste, in allen Lebensbereichen vorbildlich agierende Persönlichkeit. Als Vorarbeiter eines Trupps von Schienenlegern war er u.a. mit der Sprengung größerer Felsbrocken beauftragt. Zu diesem Zweck wurden Löcher in die betreffenden Felsen gebohrt in welche dann unter Zuhilfenahme einer Eisenstange Sprengstoff hineingestampft wurde. Bei genau so einem Vorgang ereignete sich eine vorzeitige Explosion, die 98 cm lange, 6 Kilogramm schwere und knapp über 3 cm dicke Eisenstange wurde fortgeschleudert und durchbohrte mit hoher Wucht Gage`s Schädel. Erst nach 30 Metern fiel sie mit Blut und Hirngewebe beschmiert zu Boden! Er überlebte den Unfall abgesehen vom Verlust des linken Augenlichtes scheinbar ohne bleibende Schäden! Er erfreute sich bester körperlicher und auch - scheinbar- geistiger Gesundheit! Sein Verstand war nicht beeinträchtigt. Er konnte weiterhin Sprechen und logisch denken! Seine kognitiven Fähigkeiten schienen keinen Schaden genommen zu haben! Allerdings veränderte sich seine Persönlichkeit in frappierender Weise!
Seine ganze Veranlagung, seine Vorlieben und Abneigungen, seine
Träume und Hoffnungen - alles hat sich verändert! Lassen wir hierzu in nachfolgend zitiertem Text seinen damals behandelnden Arzt zu Wort kommen, der den Sachverhalt umfangreich dokumentierte:
" Seine körperliche Verfassung ist gut, und ich neige zu der
Behauptung, dass er wieder genesen ist(....), allerdings scheint das
Gleichgewicht zwischen seinen geistigen Fähigkeiten und seinen animalischen
Neigungen gestört zu sein. Er ist nun launisch, respektlos, flucht manchmal auf
abscheulichste Weise (früher nicht vorhandene Gewohnheiten), erweist
seinen Mitmenschen keine Achtung, reagiert ungeduldig auf Anweisungen und
Einschränkungen, sobald sie nicht mit seinen eigenen Wünschen übereinstimmen,
ist gelegentlich hartnäckig und eigensinnig, dennoch wankelmütig und
unschlüssig, ersinnt ständig Zukunftspläne, die schneller wieder verworfen als
ausgeführt werden(...). Seine Geistesverfassung hat sich radikal verändert, so
gravierend, dass seine Freunde und Bekannten behaupteten, in ihm den Gage von
früher nicht mehr wiederzuerkennen". Sein Verhalten wurde - wie aus zeitgenössischer Dokumentation ersichtlich - gerade zu soziophatisch, sein gesellschaftliches Überleben war nicht mehr gewährleistet. In seinem persönlichen Umfeld, wo er ehemals sozial gut positioniert war, scheiterte er nun kläglich!
Ich denke es ist nicht schwer zu erraten, welcher Gehirnbereich durch die Eisenstange verletzt wurde?! - Es handelt sich in der Tat um den bisher viel zitierten Stirnlappen!
Das Stirnhirn macht etwa ein Drittel des gesamten Großhirns aus. Neben seiner Größe ist die enorme Verkabelung mit allen anderen Hirnteilen charakteristisch. Es steuert Motivation und Antriebsenergie, hier werden moralische Entscheidungen getroffen. Das Stirnhirn entspricht dem biologischen Substrat der Persönlichkeit oder des ICH`s. ACHTUNG: An dieser Stelle muß bedacht werden, dass es im Hirn natürlich kein kleines Männchen gibt welches dem persönlichen, individuellen „ICH“ entspricht! Es wäre falsch zu sagen das ICH säße im Stirnhirn- also lokal eingrenzbar wie etwa die Position des Prozessors in einem PC! Aber: Ohne die Funktionen des Stirnhirns hat man keine Persönlichkeit und kein ICH! Hierzu eine kleine Analogie: Ich kann nicht behaupten, der Motor wäre das, was die Natur eines Autos ausmacht! Wenn ich nur einen Motor habe kann ich damit nirgendwo hin fahren! Ich kann nicht einmal einsteigen oder etwas in den Kofferraum werfen! Allerdings: Eine Karosserie ohne einen Motor ist ebensowenig ein Auto! Das Stirnhirn entspricht analog zu diesem Beispiel in Bezug auf das menschliche Bewusstsein, die menschliche Kreativität und Individualität dem Motor eines Autos! Diese Struktur beherbergt die treibende Kraft des "ICH`s"!
Gamon/Bragdon (Autoren): "Bewusstsein ist ein Produkt von Beziehungen, kein Ding oder Ort! Es gibt Gründe für die Annahme, dass das "Metabewusstsein" - das Bewusstsein, das man über ein Bewusstsein verfügt- von der relativ späten kindlichen Entwicklung einzelner Areale des Stirnlappenbereichs abhängt. Demzufolge beherbergen die Stirnlappen offenbar für die Integration oder assoziative Zuordnung verantwortliche Regionen, die für unsere konsistente, individuelle Persönlichkeitsstruktur entscheidend sind. Die Antwort liegt im Zusammenwirken einer Vielzahl von Gehirnarealen und nicht in einem einzigen anatomisch und funktionell klar umrissenen Modul. Der "Treiber" des gesamten kognitiven Apparates -insofern es einen gibt- dürfte seinen Sitz durchaus sehr weit vorne im Stirnhirn haben!" Die übernatürliche Seele spielt innerhalb der naturwissenschaftlichen Erklärungsmodelle praktisch keine Rolle mehr! Jegliche Arten von Bewusstseins- und Erlebensprozessen, einschließlich jener die wir nur sehr schwer beschreiben können und die uns (vielleicht für immer) vor philosophische Erklärungsnotstände stellen, finden in mehr oder weniger spezifischen Erregungsmustern des Gehirns ihren Ausdruck! Ob ich müde oder hellwach, ärgerlich oder fröhlich bin; ob ich angestrengt über etwas nachdenke oder gelassen und entspannt fernsehe; ob ich eine mathematische Aufgabe löse oder mein Verhältnis zu meiner Freundin überdenke; ob ich einen Mord oder einen Zoobesuch plane; ob mich mein Gewissen plagt oder mein Selbstwertgefühl über den Mount Everest hinauswächst- all diese Vorgänge kämen nicht zustande, würden sich nicht Milliarden von Neuronen im Rahmen unsäglich komplexer Rückkoppelungseffekte miteinander austauschen! Die Verwobenheit dieser biophysikalischen Vorgänge mit den mentalen (subjektiven) Erlebensprozessen sind dabei so gravierend, dass ein äußerer Beobachter dieser Vorgänge (mittels bildgebender Verfahren welche u.a Blut-und Sauerstoffkonzentrationen in verschiedenen Hirnbereichen sichtbar machen) innerhalb eines gewissen Rahmens tatsächlich "Gedanken lesen" kann! Hierzu einige beeindruckende und im Prinzip schon heute theoretisch anwendbare Beispiele: Wenn man jemanden fragt ob er eine bestimmte (auf einem Foto gezeigte) Person oder einen gezeigten Gegenstand (etwa eine Tatwaffe) kennt, werden diverse neuronale Vorgänge in seinem Hirn zuverlässig Auskunft erteilen, ob seine Antwort der Wahrheit entspricht! Auch rassistische Abneigungen könnte man durch diverse Untersuchungsmethoden enttarnen! Der Anblick einer Person mit bestimmten ethnologischen Merkmalen würde in diesem Fall bestimmte Reaktionen im lymbischen System hervorrufen, die mit empfundener Abneigung oder Hass korrelieren! Ebenso wäre es möglich, tatsächlich erlebte und eingebildete (vom Subjekt für real gehaltene) Erlebnisinhalte zu differenzieren, da das Gehirn beides auf verschiedene Weise generiert! Es wäre auch möglich einen "resozialisierten" Sexualstraftäter vor seiner Entlassung daraufhin zu prüfen, ob er angesichts seines Verbrechens aufrichtige Reue empfindet oder nur heuchelt (in Zweiterem Fall läge die Wahrscheinlichkeit für ein weiteres Verbrechen denkbar höher)!
Skeptiker wenden hingegen ein, dass diese Zusammenhänge von biophysikalischen Vorgängen und mentalen Erlebensprozessen nur als Korrelationen, nicht als Kausalzusammenhänge zu betrachten sind! Eine übernatürliche Seele könnte rein hypothetisch auf nicht nachweisbare Weise die Materie so beeinflussen, dass sich die besagten neuronalen Erregungsmuster und Schwankungen des Neurotransmittersystems als Folge dieser höheren Ursache einstellen. Das wäre dann ungefähr so als würde ein unsichtbarer Klavierspieler die Tasten des Instruments betätigen und ein Wissenschaftler stellt dann einen Zusammenhang zwischen der Abfolge der gedrückten Tasten und den erzeugten Tönen her! Ich persönlich würde niemanden vorschreiben wollen, was er von diesem Klavierspieler (der Seele) zu halten hat! Er ist jedenfalls nicht beweißbar! Auch die sog. "Nahtod-Erlebnisse" liefern bei genauerem Hinsehen keine starken Indizien hierfür (siehe eigenes Kapitel auf dieser webpage). Es handelt sich um eine Glaubenssache!
Nun aber zurück zum eigentlichen Thema- dem Stirnhirn! Ohne Evolution des Stirnhirns könnten - wie wir an der Darstellung diverser Zusammenhänge eindeutig gesehen haben - Menschen nicht vorausschauend handeln und planen! Wir würden wie die Tiere im Hier und Jetzt leben und könnten nichts erfinden. Es gäbe keine Werkzeuge und keine Zivilisation! Das Verrückte ist: Der Mensch hat gegenüber den Schimpansen keine typisch anderen Hirnstrukturen. Das Stirnhirn wäre ggf. das charakteristische Merkmal eines Menschenhirns- aber auch darüber verfügen die Schimpansen. Lediglich die absolute Masse ist beim Menschen natürlich viel höher! Peter F. Weber schreibt in „Die Evolution des menschlichen Gehirns“ sinngemäß, dass beim Menschen keine anderen Hirnstrukturen vorhanden sind als bei den übrigen Menschenaffen! Es sei natürlich anzunehmen, dass es im Verlauf der Evolution immer wieder zu internen Neuverschaltungen kam. So geht bspw. der aufrechte Gang nicht nur mit einer Veränderung im Skelettbau und in der Muskulatur einher, sondern auch mit der entsprechenden Reorganisation im Gehirn. Ebenso muß es im Zuge der Sprachentwicklung zu einer neuronalen Umorganisation gekommen sein. Aber hierbei handelt es sich um Anpassungen, nicht um großartige Neuerungen! „………..Wer an die Erschaffung des Menschen durch Gott glaubt, mag sich an dieser Vorstellung stoßen, dass das menschliche Gehirn nichts anderes ist als ein gewöhnliches Affenhirn. Für Evolutionsbiologen ist dieser Gedanke nicht verwunderlich, ja sogar selbstverständlich, schließlich ist der Geist nicht vom Himmel gefallen………! siehe „Der domestizierte Affe S. 190“ Worin aber besteht dann der Grund für das extrem komplexe menschliche Bewusstsein und das –zumindest im direkten Vergleich hierzu- geringe Bewusstsein von Menschenaffen?
DIE NATUR DES MENSCH-SEINS:
WARUM HAT AUSSCHLIESSLICH DER MENSCH DEN WEG DER KULTURELLEN EVOLUTION BESCHRITTEN .... ....während Schimpansen -insofern sie nicht in einem Versuchslabor per Computertasten mit Wissenschaftlern kommunizieren- auf Bäumen hocken und Bananen fressen?! Die banalste Antwort hierauf bestünde in der Feststellung, dass der Mensch eine insgesamt höhere Gehirnmasse und natürlich auch einen größeren präfrontalen Cortex hat! Aber was bewirkt genau diese größere Hirnmasse? Nun ja - das ein Mensch sprechen und sich mit Mathematik auseinandersetzen kann wissen wir. ABER WAS IST DER EIGENTLICHE UNTERSCHIED ZWISCHEN AFFE UND MENSCH? KANN MAN DAS TYPISCH MENSCHLICHE IM BEWUSSTSEIN EINGRENZEN?! Im Buch “Der domestizierte Affe” lässt Peter F. Weber einen Direktor am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig, Michael Tomasello, zu Wort kommen: „……Menschen
identifizieren sich mit anderen Menschen viel stärker als andere Lebewesen
mit ihren Artgenossen. Diese Identifikation "ich bin wie er" beginnt schon
sehr früh im Babyalter. Daraus entsteht die Fähigkeit, das Verhalten anderer
zu imitieren. Hinzu kommt, dass Eltern ihre Kinder aktiv unterrichten - ein
weiteres menschliches Charakteristikum. Imitation und Unterricht
verhindern, dass kulturelle Erfindungen, die im Laufe vieler Generationen
gemacht wurden, wieder verloren gehen. Später kommt die geplante
Zusammenarbeit zwischen Individuen noch dazu...." "..Im Alter von 9 Monaten sind Babys Imitationsmaschinen. …… Sie imitieren in den folgenden 2 Jahren einfach alles, und zwar haargenau, auch wenn es unsinnig erscheint...." "………Es gibt dazu verblüffende Video-Aufnahmen von den Wissenschaftlern. In einem Versuch wird sowohl einem zweijährigen Kind als auch einem Schimpansen vorgeführt, wie man mit einem Rechen ein Objekt heranangeln kann. Dabei geht der Psychologe, der das Ganze vormacht, nicht gerade clever vor, im Gegenteil, er demonstriert das Verfahren sehr umständlich. Anschließend dürfen die 2 Probanden versuchen, an das Objekt zu kommen. Dabei zeigt sich ein frappierender Unterschied: Der Schimpanse schnappt sich den Rechen und versucht, auf seine Art ans Ziel zu gelangen - wobei er im Test sogar besser abschneidet als der Psychologe. Das Kind hingegen handelt genauso umständlich wie sein großes Vorbild. Man könnte daraus, beeindruckt von der Leistung des Menschenaffen, schließen, dass der Schimpanse intelligenter ist als das Kind...." "Aber das stimmt natürlich nicht", erklärt Tomasello. "Die beiden Arten verfolgen schlicht unterschiedliche Lernstrategien. Was der Schimpanse macht, bezeichnen wir als Emulationslernen. Das Verhalten, welches das Kind gezeigt hat, ist reines Imitationslernen...." "……Der Schimpanse sieht das Ziel, und da will er selbst hin. Das Kind sieht den Menschen, und da ein Erwachsener normalerweise klüger handelt als es selbst, macht es durchaus Sinn, dessen Verhalten zu imitieren.……" DAS KIND VERSTEHT ABER SEHR WOHL WAS DER ERWACHSENE TUN WOLLTE! "....In diesem Alter verstehen Kinder bereits die Absichten anderer Menschen. Ich erzähle Ihnen ein Beispiel: Sie öffnen vor den Augen eines Ein- oder Eineinhalbjährigen ein Milchfläschchen und schenken den Inhalt in ein Glas. Dabei passiert (absichtlich) ein kleiner Unfall, und sie schütten das Glas Milch aus. Wenn Sie danach den gleichen Versuch mit einem Kind machen, wird es das Fläschchen öffnen und die Milch ins Glas schütten, ohne das Glas umzustoßen. Es hat also Ihre Absicht verstanden. Und dazu sind Kinder sicher schon mit 9 Monaten in der Lage....." "....Den Unterschied kann man also kurz folgendermaßen formulieren: Schimpansen wollen ans Ziel kommen. Kinder wollen Menschen verstehen……" siehe "Der domestizierte Affe" von Peter F. Weber S. 199ff
"....Kinder beginnen ab einem Alter von 9 Monaten, sich mit anderen zu identifizieren", erklärt Tomasello. "Sie verstehen dadurch, dass andere Menschen so sind wie ich, dass sie Absichten haben so wie ich und dass sie ihre Aufmerksamkeit gemeinsam auf äußere Dinge lenken können..." "....Menschen erschaffen so eine geteilte Intentionalität: "Ich bin so wie du, du hast Absichten wie ich". Dadurch können Kinder etwas vom Standpunkt anderer lernen, und indem sie sich an die Stelle der Erwachsenen versetzen, kommen sie zum Verständnis, wie sie die Objekte ihrer Kultur (Spielzeug, Löffel, Gabel, Schuhe etc.) gebrauchen können, aber auch zu den sozialen Gepflogenheiten ihrer Kultur (Kleidungsstil, was man vom eigenen und anderen Geschlecht erwartet, was gut und was böse ist etc.). Und Erwachsene können infolge dieser geteilten Intentionalität ihre Kinder lehren…………" siehe "Der Domestizierte Affe" v. P.F. Weber Seite 200 "...Wenn wir unseren Blick noch einmal auf Kleinkinder richten, so scheinen diese schon mit 8 Monaten über eine Fähigkeit zu verfügen, die man als Objektpermanenz bezeichnet. In diesem Alter sind die Stirnlappen (und das Arbeitsgedächtnis) so weit herangereift, dass die Kinder zu der Einsicht gelangen, dass Mama oder ein Spielzeug auch dann noch existieren, wenn diese aus dem Blickfeld verschwunden sind. Nur wenige Monate später verstehen sie auch - wie oben beschrieben - die Absicht eines Erwachsenen, wenn dieser aus einer Flasche Milch in ein Glas schenkt; ein kleiner "Unfall" wird bereits als solcher erkannt. Einjährige sind also "Kopieranstalten", welche die Absichten anderer nachvollziehen können...." siehe "Der Domestizierte Affe" von P.F.Weber Seite 202
Tomasello weißt ferner darauf hin, dass die Mechanismen typisch menschlichen Lernverhaltens nur innerhalb einer menschlichen Gesellschaft greifen! Kindliche Imitation ist die eine Seite der Medaille, das Lehren die Andere. Der Hirnforscher Gerald Hüther („Die Macht der inneren Bilder“/ „Gebrauchsanweisung für ein Gehirn“) hält es für denkbar, dass ein menschlicher Säugling schon vor 100.000 Jahren einen vergleichbaren Intellekt wie ein heutiges Babys besaß. "... Wäre aber einer dieser frühen Vorfahren des Menschen heute zur Welt gekommen, spräche er fließend Deutsch wie wir, hätte er gelesen, was wir heutzutage so lesen, könnte er sich auch noch in Englisch oder einer anderen Sprache mit Menschen aus anderen Kulturkreisen verständigen und austauschen, und das alles genauso gut oder schlecht wie wir heutzutage. Die Anlagen dazu waren vor 100.000 Jahren bereits vorhanden, nur die Bedingungen dafür, dass diese Anlagen in der Weise genutzt werden konnten, wie wir sie heute nutzen können, gab es damals noch nicht....." "Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn" v. G. Hüther S. 64 Rein anatomisch sei das menschliche Hirn also schon seit 100.000 Jahren so beschaffen wie heute, wobei es nun dahingestellt sei, ob diese Zahl nicht eher zu hoch gegriffen ist! Aber unter den damaligen Bedingungen erfolgte niemals ein äußerer Input, der die Heranreifung eines typisch menschlichen Intellekts ermöglicht hätte! Mamma und Pappa haben ihrem Steinzeit-Baby bestimmt kein Bilderbuch mit sämtlichen Tierarten gezeigt oder explizit vorexerziert, wie man einen Speer möglichst weit schleudert! Sie haben ihn auch sicher nicht systematisch dazu angehalten, sich die damaligen Kommunikationslaute (einer mutmaßlichen „Protosprache“) einzuprägen! Ein frühes Menschenkind konnte sich nur dasjenige durch Beobachtung und Imitation aneignen, was man ihm in Abwesenheit strategischer und zielgerichteter Lehrunterweisungen an Input lieferte! "….. Es ist eindeutig so, dass sich Menschen nur in einem spezifisch menschlichem Umfeld zu Menschen entwickeln. Und dieses soziale Umfeld ist mit dem Menschen entstanden. Wir Menschen können also nur in einer sozialen Gemeinschaft von anderen Menschen unsere Entwicklung zum Menschen durchmachen. Das eine geht nicht ohne das andere……" "…Imitation ist eine charakteristische menschliche Fähigkeit. In ihr liegt ein bedeutsamer Unterschied zwischen Menschen und Vormenschen. Diese Ausstattung erlaubte es Homo habilis, seine Artgenossen als intentionale Wesen zu verstehen, die Absichten hatten und Ziele verfolgten. Damit wurde ein Prozeß in Gang gebracht, der aus einem gewöhnlichen Menschenaffen einen domestizierten Affen machte…." siehe "Der domestizierte Affe" v. P.F.Weber S. 203
Wir haben nun die herausragende Rolle des Stirnhirns kennen gelernt! Wir haben erfahren, dass ein menschliches Hirn ganz stark auf äußeren Input angewiesen ist, wenn sich hierin eine "normale" menschliche Psyche und "normale" kognitive Leistungsmerkmale entwickeln sollen! Das Gehirn saugt nämlich Regeln aus seiner Umwelt heraus indem es jeglichen Inhalt (automatisch) nach Häufigkeit und Regelmäßigkeit kategorisiert und Muster erkennt! Aber wie ist das konkret möglich? Gibt es einen bestimmten Faktor der es dem menschlichen Hirn erlaubt, diese gewaltigen Lernleistungen zu vollbringen?
SPIEGELNEURONE-
Nachfolgend werden wir etwas über die sog. "Spiegelneurone" erfahren. Sie gelten den Hirnforschern als die biologische Ursache für das explizit menschliche Imitationsverhalten, das offenbar einen fundamentalen Aspekt der menschlichen Natur darstellt! Auch hierauf geht P.F.Weber in "Der domestizierte Affe" näher ein: Die Spiegelneurone wurden zufällig vom italienischen Neurobiologen Giacomo Rizzalotte entdeckt. Er hatte Makaken (eine Affenart) Mikroelektroden ins Hirn implantiert, um zu sehen, welche Nervenzellen aktiv sind, wenn die Versuchstiere nach kleinen Gegenständen greifen. Nun stellte er aber fest, dass bestimmte Nervenzellen auch dann heftig feuerten, wenn die Tiere ihm einfach nur bei einer Handlung zusahen und dabei offenbar seine Absicht erkannten (wenn er etwa nach einer Nuß griff). Ein Objekt, das einfach nur auf dem Tisch lag reichte nicht aus um die Spiegelneuronen zu aktivieren, ebenso wenig ein zielloses Herumfuchteln mit der Hand! Er legte dann vor den Augen der Versuchstiere einen Apfel auf den Tisch, stellte anschließend einen Karton als Sichtschutz davor und griff dann hinter den Karton nach dem Apfel. Die Makaken erkannten was er vorhatte und dementsprechend wurden ihre Spiegelneurone aktiv! Die menschlichen Spiegelneurone sind noch leichter zu erregen! Sie reagieren auch auf bedeutungslose Fuchteleien! Deshalb imitiert ein nur 6 Wochen altes Baby bereits Grimmassen die man ihm vormacht (etwa Zunge rausstrecken)! Diese Spiegelneurone scheinen eine Erklärung dafür zu sein, wie ein Kind visuelle Information in Wissen umwandelt! Menschen lernen, sich in andere einzufühlen und deren Absichten nachzuvollziehen. Unsere neuronalen Netzwerke simulieren permanent- automatisch und unbewusst- sämtliche Handlungen und Emotionen die wir wahrnehmen. "THEORY OF MIND" Dieser Umstand verhilft uns zu einer besonderen mentalen Perspektive die ein Tier in vergleichbarer Ausprägung nicht haben kann! Wir haben eine sog. „Theory of mind“ – die Fähigkeit, uns in andere hineinzuversetzen, die Perspektive des anderen zu simulieren und uns zu fragen:“ Was würde er an meiner Stelle tun? Was weiß er, was ich über ihn weiß, was kann er nicht wissen und wie soll ich entsprechend handeln?“ Interessant ist hierbei folgende Feststellung: Menschen werden nicht mit der Fähigkeit einer „Theory of mind“ geboren. Erst ab einem bestimmten Reifegrad des Stirnhirns bildet sich diese Fähigkeit heraus! Und dies passiert mit etwa 4 Jahren!
Dazu gibt es ein hochinteressantes Experiment: "....Der Psychologe sitzt mit seinem kleinen Probanden vor einem Puppenzimmer. Mitspieler sind 2 Figuren, nämlich Maxi und Lisa. Lisa legt eines ihrer Kleidchen in einen Schrank und verlässt dann für einen Moment das Puppenzimmer. In dieser Zeit nimmt der schlimme Maxi das Kleidchen und versteckt es in einer Schublade. Dann kommt Lisa wieder herein. Der Psychologe fragt nun das Kind: "Wo wird Lisa gleich nach dem Kleidchen suchen?" Der Dreijährige schaut etwas ratlos und antwortet dann: "In der Schublade." Der Vierjährige grinst den Psychologen an und sagt: "Im Schrank; die Lisa weiß ja nicht, dass der Maxi es da rübergelegt hat." "...Man könnte meinen, im Gehirn eines Vierjährigen befinde sich ein Schalter, der umgelegt wird, und plötzlich sei die Theory of Mind da. Aber das stimmt natürlich nicht. Diese Fähigkeit reift langsam im kindlichen Gehirn heran. Ihre Anfänge liegen in der Fähigkeit zur Imitation begründet und in der Fähigkeit, dass bereits Einjährige die Absichten anderer erkennen. (Erinnern wir uns nur an das Beispiel mit der Milchflasche: Wenn der Erwachsene etwas Milch verschüttet, ahmt das Kind diesen "Unfall" nicht nach). Diese intentionalen Fähigkeiten, die Voraussetzung dafür sind, dass man die Vorhaben anderer erkennt, nehmen im Laufe der ersten Lebensjahre stetig zu. Mit der fortschreitenden Entwicklung ihrer sprachlichen Fähigkeiten lernen Kinder schließlich auch die unterschiedlichen Perspektiven kennen: Ich Ich - du - er. Ich mache - du machst - er macht. Ich will, dass du machst. Ich glaube, dass er will, dass du machst. Das Verstehen dieser unterschiedlichen Perspektiven als Folge der Sprachentwicklung mündet im Auftauchen der Theory of Mind im Alter zwischen 3,5 Jahren und 4,5 Jahren. siehe "Der domestizierte Affe" v. P.F.Weber Seite 206,207
Mit etwa 4 Jahren beginnen Kinder auch zu lügen- ein unmissverständliches Anzeichen für das Erwachen der „Theory of mind!“ Absichtliches Lügen setzt nämlich voraus, dass man versteht, was man mit Lügen erzielt- nämlich dass man im Anderen einen falschen Glauben erzeugen kann. Auch hierzu gibt es ein beeindruckendes Experiment! Ich möchte den zart besaiteten Leser an dieser Stelle vorwarnen! Nachfolgend wird ein grausames Experiment beschrieben, das mit lebenden Kleinkindern durchgeführt wurde (sogar in Deutschland)! ".... Teilnehmer sind eine böse Puppe und ein Kind. Auf dem Tisch liegen einige unterschiedlich schöne Aufkleber. Der Psychologe fragt das Kind: "Welchen möchtest du am liebsten?" Das Kind schaut sich die bunten Aufkleber an und zeigt dann erwartungsvoll auf seinen Lieblings-Sticker. Dann wird der bösen Puppe gesagt, sie dürfe zuerst wählen. Und prompt nimmt die böse Puppe den Lieblings-Sticker. Wenn man diesen Versuch mit einem Vierjährigen oder Fünfjährigen wiederholt, zeigt dieser in der Regel schon beim zweiten Durchgang auf einen anderen Aufkleber. Aber ein Dreijähriger zeigt immer wieder auf seinen Lieblings-Aufkleber. Manchmal sind die Kinder regelrecht frustriert, weil sie schon wissen, dass ihnen die böse Puppe gleich wieder den Sticker vor der Nase wegschnappt. Einige versuchen sogar, das zu verhindern, indem sie sich an den Aufkleber klammern. Ihre Hilflosigkeit bricht einem das Herz. Aber auch wenn der Psychologe den Versuch ein fünftes Mal wiederholt, zeigen sie wieder auf ihren Lieblings-Sticker. Lügen funktioniert nicht in diesem Alter! Ein Vierjähriger weiß hingegen, dass er in der bösen Puppe einen falschen Glauben auslösen kann, indem er vorgibt, einen anderen Sticker lieber zu mögen. Ab nun kennt ein Kind den Unterschied zwischen Sein und Schein. Es ist die Zeit, da der Weihnachtsmann aufhört zu existieren, weil das Kind merkt, dass Onkel Rudi dahinter steckt. Die großen geistigen Entwicklungssprünge sind damit für ein Kind abgeschlossen. Was folgt, ist im Wesentlichen eine mehrjährige Phase intellektueller Reifung, in der das Kind zwar auch noch vieles lernen muss, aber es sind keine Sprünge mehr. Wie wir im vorigen Kapitel erfahren haben, steigt der Energieverbrauch vor allem im Stirnhirn noch bis zum achten Lebensjahr an, um danach abrupt abzufallen. In diesen Jahren lernt das Kind seine Aufmerksamkeit zu fokussieren und sein Verhalten zu kontrollieren. Außerdem reift das Selbstbewusstsein heran. Es beginnt logisch zu denken und Probleme durch Vernunft zu lösen. Ein Erstklässler, der sich noch mit dem Sammeln von Buchstaben abmüht, scheint von den Fähigkeiten eines Erwachsenen meilenweit entfernt. In Wahrheit sind alle zukünftigen Hürden, die es noch zu nehmen gilt, nichts im Vergleich zu den bisherigen Errungenschaften...." siehe "der domestizierte Affe" v. P.F. Weber auf Seite 208. Allerdings beruft sich hier der Autor seinerseits auf eine Quelle: Elliot, L. Was geht da drinnen vor, Berlin Verlag, 2001 (übersetzt von Barbara Schaden). Unsere Fähigkeit eine „theory of mind“ zu entwickeln, ist nach Ansicht mancher Wissenschaftler der Kern dessen, was uns von Schimpansen unterscheidet! Hier könnte man jetzt einwenden:“ Aber mein Hund merkt doch auch wenn ich mich elend fühle und kuschelt sich unaufgefordert an mich!“ "Und warum können Schimpansen mit Symbolsprache kommunizieren? Die müssen doch auch irgendwie wissen dass ihr menschliches Gegenüber ein autonomes Wesen ist dass sie verstehen bzw. auch missverstehen kann?!" Die Einwände hören sich plausibel an und sind auf sich selbst bezogen auch stimmig! Aber das reicht nicht zu einer "theory of mind"! Schimpansen können bspw. auch die Grammatik der menschlichen Sprache nicht verdauen weil auch hierfür (für die Darstellung von Beziehungen) eine erweiterte mentale Perspektive nötig wäre! "....Was Schimpansen abzugehen scheint, ist der geteilte Aufmerksamkeitsraum, die Fähigkeit, ihre Aufmerksamkeit gemeinsam auf Dinge zu lenken, um gemeinsam Ziele umzusetzen. Nicht, dass diese Menschenaffen keine Ziele hätten. Sie verstehen auch bis zu einem gewissen Grad die Absichten ihrer Gefährten; sie erkennen, wenn diese frustriert oder zufrieden sind und was sie gleich tun werden. Aber sie können nicht in die Gedankenwelt der anderen hineinschauen und gemeinsam Pläne schmieden. Was das bedeutet, lässt sich am besten am Beispiel der Jagd erklären. Schimpansen verbringen viel Zeit am Boden. Wenn sie Kolobus-Affen in den Baumkronen wahrnehmen und eines der Schimpansen-Männchen Appetit auf Fleisch bekommt, starrt es in den Baum, wo die Äffchen herumturnen. Die übrigen Schimpansen erkennen diese Absicht und starren ebenso in den Baum. Plötzlich steht das Männchen auf und nähert sich den Kolobus-Affen. Die anderen Schimpansen klettern in die Nebenbäume, um als Treiber zu agieren oder der fliehenden Beute den Weg abzuschneiden. So ziehen sie den Kreis immer enger. Hat ein Schimpanse ein Äffchen erwischt, frisst er das Fleisch weitgehend alleine auf; Schimpansen teilen nicht gerne. Diese Jagden zeigen zwar eine Form der Zusammenarbeit, aber die Menschenaffen setzen sich nicht zusammen und schmieden einen Plan, wie man die Jagd am besten angeht, sondern jeder entscheidet in dem Augenblick für sich, was er wann tut. Menschen vermögen auch die Gedanken anderer zu lesen. Sie wissen, welches Ziel der andere anstrebt, wenn er aufsteht, selbst wenn dieses Ziel räumlich oder zeitlich in der Ferne liegt. Das ist ein wesentlicher Unterschied!..." siehe "Der domestizierte Affe Seite 210,211 Die "NATUR DES
MENSCH-SEINS" Im biologischen
Sinne Im psychologischen
Sinne
Der dritte Punkt
Wir haben erfahren, dass das menschliche Gehirn erst nachgeburtlich reift! Um ein Hund zu sein genügt es, Hunde als Eltern und somit die DNA eines Hundes zu haben! Dasselbe gilt für Enten, Blattläuse, Affen, Sonnenblumen und sämtliche Lebensformen die jemals gelebt haben - außer dem Menschen! Zu einem "richtigen" Menschen kann ich nur werden, wenn mein zum erheblichen Teil nachgeburtlich heranreifendes Gehirn mit kulturellem Input aus einem typisch menschlichen Umfeld gefüttert wird! In dieser Aussage steckt nicht der leiseste Schatten einer philosophischen, polemischen oder ideologischen Komponente, etwa im Sinne wie "Nur ein ...(Christ, CDU-Wähler, FC Bayern-München-Fan,...) sei ein richtiger Mensch!" Es ist vielmehr eine mehr als eindeutig belegte Tatsache, dass nur ein menschliches Umfeld im Hirn eines Säuglings jene präorganisierten (von Geburt angelegten) Mechanismen stimulieren kann, die einen typisch menschlichen Geist, ein typisch menschliches Bewußtsein, eine menschliche Sprache und einen "normalen" menschlichen Intellekt hervorbringen können. Nur unter Menschen kann ein Mensch Sprache und eine "Theory of Mind" entwickeln!
Soweit einige kurze Sublimierungen bezüglich der "Natur des Mensch- Seins". Man könnte an dieser Stelle den aufrechten Gang noch erwähnen- aber nicht unbedingt als einen tragender Aspekt für die "Natur des Mensch- Seins", sondern vielmehr als eine explizit menschliche Besonderheit!
Anmerkung: Ich beziehe mich inhaltlich auf dieser Kapitelseite stark auf "Der domestizierte Affe - Die Evolution des menschlichen Gehirns" von Peter F. Weber (Patmos Verlag GmbH & Co. KG; Walter Verlag, Düsseldorf und Zürich)
DIESE
KAPITELSEITE BESTEHT AUS EINER SELEKTIVEN KAPITEL - AUSWAHL VON
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